Inhalt
Franz Biberkopf (RWF), wegen seiner Schaubuden-Nummer Fox genannt, verliert seinen Job auf dem Rummelplatz. Was bleibt ihm da übrig, als auf den Strich zu gehen? Dort wird er von einem Antiquitätenhändler aufgegabelt, der ihn wiederum mit dem Unternehmersohn Eugen bekanntmacht. Das Glück scheint Fox hold zu sein. Er gewinnt eine halbe Million im Lotto. Doch das Geld ist er schnell wieder los. Von seinem schicken Freund Eugen, der ihn in die kultivierte Großbürgerwelt einführt, wird er nach Strich und Faden ausgenommen. Fox kann sich noch so bemühen, der Klassenunterschied wird immer weiterbestehen. Obwohl einmal mehr mit dem Tod des Protagonisten endend, herrscht in diesem Fassbinder-Film vor allem im ersten Teil ein ungewohnt komödiantischer, witziger Ton vor. Lakonische, auf Pointen hin angelegte Dialoge, komisch zugespitzte Situationen und Ironie heben die sonst vorherrschende melodramatische Schwere auf.
(Quelle:Kino Xenix, Zürich)
|
Szene mit Karlheinz Böhm (li.), RWF und Peter Chatel (re.) |
Ineinem Interview auf dem Filmfestival in Cannes 1975 sagte Fassbinder über Faustrechtder Freiheit: "Es ist sicher der erste Film, indem dieMitwirkenden Homosexuelle sind, ohne dass die Homosexualität zu einem Problemgemacht wird. Immer in Filmen, Theater oder Romanen, wenn Homosexuelleauftreten, war das Problem die Homosexualität, oder aber es war eine komischeNummer. Aber hier wird die Homosexualität als etwas ganz Normales gezeigt, unddas Problem ist etwas ganz anderes, nämlich eine Liebesgeschichte, wo einer dieLiebe des anderen ausnutzt, und das ist eigentlich die Geschichte, die ich immererzähle."
DieHauptperson in Faustrecht der Freiheit ist ein kleiner homosexuellerGauner und Strichjunge, Franz Biberkopf. Seinen Vornahmen hat er mit denHauptpersonen in Fassbinders ersten beiden Gangsterfilmen gemeinsam, und derungewöhnliche Nachname geht natürlich auf Franz Biberkopf zurück, dieHauptperson von Döblins Roman BerlinAlexanderplatz, der einen ähnlichen Einfluss auf Fassbinders Produktionausübte wie Fontanes Effi Briest. EffiBriest steht mit der ganzen Erziehungs- und Unterdrückungsproblematik inVerbindung, während Berlin Alexanderplatz auf eine andere Hauptspur inFassbinders Produktion weist: die Geschichten on den kleinen Gangstern und ihrenMädchen. In Döblins ausladendem, aber zugleich packendem Roman ist FranzBiberkopf ein kleiner Gauner, der aus dem Gefängnis kommt und wie der Franz in Liebe- Kälter als der Tod eine problematische Beziehung zu einemVerbrechersyndikat hat. Er arbeitet am liebsten auf eigenes Risiko und bindetsich ungern, doch sein Selbstständigkeitsdrang kommt ihn teuer zu stehen. WieFassbinders Franz ist er gespalten zwischen seiner Liebe zu einer Hure, derenZuhälter er ist, und seiner Freundschaft mit einem unzuverlässigen Kumpel, derfür das Syndikat arbeitet. Diese beiden Abhängigkeitsbeziehungen tragen zuFranz Biberkopfs Zusammenbruch bei: der Freund bringt Biberkopfs Mädchen um -was Bruno in Fassbinders Debütfilm erfolglos versuchte...
(Quelle:Christian Braad Thomsen:Textauszug aus "Rainer Werner Fassbinder - Leben und Werk eines maßlosen Genies",Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Hamburg, 1993, Seiten 237-238,Textübernahme mit freundlicher Erlaubnis des Autors)
Gehtman von der Bedeutung der Männerfreundschaften in seinen früheren Filmen aus,mag es überraschen, dass Fassbinder bis zu Faustrecht der Freiheit keinehomosexuelle Liebesgeschichte direkt porträtierte. Weniger überraschend ist esdagegen, dass auch dieser Film dem Muster der ökonomischen und emotionalenAusbeutung folgt, welches Fassbinder in seinen sozialen Melodramen entwickelthatte.
FranzBiberkopf (Fassbinder selbst), ein gutmütiger Homosexueller aus derArbeiterklasse, der unter seinen Jahrmarktskollegen als "Fox, der tönendeKopf" bekannt ist, gewinnt bei einer Lotterie eine halbe Million Mark undfindet sich plötzlich inmitten der reichen und glamourösen Schwulenszenewieder. Von der coolen Kultiviertheit seiner neuen Freunde verwirrt, verliebtsich Franz in den schlauen und attraktiven Eugen (Peter Chatel), den Sohn einesDruckereibesitzers (Adrian Hoven), der dringend Kapital benötigt. Vater undSohn tun alles, um Franz um sein Geld zu erleichtern, indem sie ihn mal mitihrer Aufmerksamkeit umschmeicheln, mal seine Ungebildetheit öffentlichbloßstellen. Als das Geld weg ist, ist es auch mit der Liebe vorbei.AmEnde schluckt Franz, jetzt obdachlos, eine Flasche Schlaftabletten. Als er ineiner U-Bahn-Station stirbt, wird er von zwei Jugendlichen ausgeraubt.
![]() |
Szene mit RWF und Christine Maybach |
DerFilm wurde hauptsächlich aus zwei Gründen kritisiert: Zu plakativ werde dieBotschaft an den Mann gebracht, dabei die Hauptfigur mitleidlos erniedrigt unddas Publikum mit der fürchterlichen Unausweichlichkeit der Geschichte gequält.Andererseits sei die Darstellung des Schwulenmilieus arg klischeehaft geraten.Fassbinder sagte, er wolle den Zuschauer vergessen machen, dass der Film unterMännern spiele, und tatsächlich ist die satirische und grausame Schärfe desFilms der Beschreibung bürgerlicher oder kleinbürgerlicher Milieus in frühenFilmen wie Warumläuft Herr R. Amok? oder Händlerder vier Jahreszeiten vergleichbar. In diesen Filmen warenMännerfreundschaften romantisiert worden, weil sie die Folie abgaben, diesichtbar machte, was Männer und Frauen einander antun. Wenn Sexualität alsBarriere überwunden werden kann, bleiben immer noch diejenigen von Klasse undAusbildung. Faustrecht der Freiheit zeigt keinen Ausweg, sieht man einmalvon den wenigen Momenten der Zuneigung ab, die Franz von seiner Schwestererfährt, die diesmal nicht von HannaSchygulla gespielt wird, sondern von Christiane Maybach.
Fassbindersetzt zudem auf einen merklichen Bruch im Tonfall des Films: Der erste Teilbesitzt ein derart sicheres Gespür für Komik, dass das selbstmitleidigeMelodram des zweiten Teils, das Franz' unbegriffene Erniedrigung zeigt, denZuschauer wie ein unangenehmer Schock trifft.
Mankönnte Faustrecht der Freiheit als Fortsetzung und Spiegelbild von Diebitteren Tränen der Petra von Kant sehen, wobei die Perspektive zweimalumgestellt ist. In Petra von Kant werden die Mittelschicht-Neurosen derTitelfigur ausgebreitet, nicht aber die Unsicherheiten der Arbeiterklasse: Karinist eine sexuell selbstsichere Frau, die sozialen Status und Klassenunterschiedemittels ihres guten Aussehens umgeht, was für Franz in Faustrecht derFreiheit offensichtlich unmöglich ist, während es dort die aalglattenMittelschichts-Homosexuellen sind, die so tun, als ob sie dieKlassenunterschiede ignorieren. Petra von Kant trägt folgende Widmung: Gewidmetdem, der hier Marlene wurde. Berücksichtigt man, das Faustrecht derFreiheit "für Armin und alle anderen" ist, dann hat es denAnschein, als spiele Fassbinder selbst in diesem Film seinen Freund undGeliebten Armin Meier, obwohl ihm nachgesagt wurde,er habe weit mehr mit dem manipulativen Eugen gemeinsam gehabt als mit Fox.
(Quelle:Thomas Elsaesser:Textauszug aus "Rainer Werner Fassbinder", Bertz Verlag GbR, Berlin, 2001, Seiten448-449,Textübernahme mit freundlicher Erlaubnis des Autors)
Layout:Rosemarie Kuheim
Bearbeitet: 10. Oktober 2020
Die o.g. Angaben zum Film sind nach bestem Wissengesammelt, aufgeschrieben und bearbeitet worden und enthalten zum Teil Texte aus fremden Webseiten bzw. literarischen Quellen.
Weiterhin möchte ich bemerken, dass ich auf Inhalte zu externen Webseiten keinen Einfluss habe und keine Gewähr dafür übernehmen kann. Für die Inhalte der verlinkten Seiten ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber verantwortlich. Die verlinkten Seiten wurden zum Zeitpunkt der Verlinkung auf mögliche Rechtsverstöße überprüft. Rechtswidrige Inhalte waren zum Zeitpunkt der Verlinkung nicht erkennbar. Eine permanente inhaltliche Kontrolle der verlinkten Seiten ist jedoch ohne konkrete Anhaltspunkte einer Rechtsverletzung nicht zumutbar. Bei Bekanntwerden von Rechtsverletzungen werden derartige Links umgehend entfernt.
Solltenmir bei den o.g. Angaben Fehler unterlaufen sein, so werden diese beientsprechender Nachricht und Kontrolle ebenfalls entfernt bzw. korrigiert.
Diebeiden Kino-Aushangfotos wurden mir freundlicherweise von Einhorn-Filmzur Verfügung gestellt.